So erging es meinem Freund Jürgen:
Hallo Ihr Biker, die Ihr momentan bei herrlichstem Sonnenschein mit roter Nase und einer Tasse Gluehwein in der Hand die Zeit herbeisehnt, in der sich die ersten Blätter wieder zeigen und die Winde milder wehen. Ich habe fuer Euch eine kleine Geschichte aufgeschrieben. Ihr koennt sie glauben oder nicht, aber es ist eine Geschichte, die das Leben schrieb:
Der TUEV - Ein Wintermaerchen
Es begab sich aber zu einer Zeit, als alle Welt sich bereits fuer den sogenannten "Jahrtausendwechsel" vorbereitete. Die Tatsache, dass das Jahrtausend rein rechnerisch betrachtet erst 1 Jahr spaeter, naemlich am 1.1.2001 beginnen wuerde, wurde geflissentlich uebersehen. Zum einen gab es sowieso kein Jahr 0, der Kalender wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrmals angepasst, und fuerderhin haben Zahlen sowieso ihre eigene Magie, vor allem dann, wenn sie "rund" sind. Es war also so, dass man ziemlich viel der Dinge, die man so tat, wie man so schoen sagte "zum letzten Mal in diesem Jahrtausend" tat. Und da wollte auch die Bundesregierung (genau genommen war es die vorangegangene Regierung und nicht der rote Gerhard) nicht untaetig sein und brachte bereits 1995 eine Aenderung der StVZO auf den Weg, die allerdings erst zum Ende des Jahrtausends (sic!), naemlich am 1.12.1999 in Kraft treten sollte, und somit eine der "letzten inkrafttretenden Gesetzesaenderungen in diesem Jahrtausend" sein sollte. Worin bestand die Novelle? Um es kurz zu machen:
Schikane fuer alle TUEV-Muffel. Der nahende Termin des 1.12.99 trieb gen Ende November Scharen von TUEV-mueden TUEV-Muffeln mit ihren TUEV-ueberfaelligen Vehikeln in die TUEV-Hallen und in die Faenge von willfaehrigen TUEV-Inschenioeren, um die begehrte TUEV-Plakette ohne Rueckdatierung zu erhalten. Hier betritt unsere Hauptperson, nennen wir ihn J. aus der Stadt F., die Buehne des Geschehens. J. aus F. war ein Motorradfahrer. Er trug zwar zumeist schwarzes Leder, war aber keiner der Sorte, die schlaegernd und marodierend durch Kneipen zogen, die Wirte ausraubten und deren Frauen und Toechter schaendeten. Nein, er war eher von gemuetlicher Natur, und sein relativ hohes leistungsbezogenes Gewicht (lag hauptsaechlich, nicht aber ausschliesslich, an den Leistungsdaten seines Mopeds) schlossen ihn auch von der Heizer+Herbrenner-Fraktion ziemlich aus. Er war auch keiner der eisenharten Kerls oder echten Maenner (tm), die bei Wind und Wetter sich auf den Bock schwangen und Reifen in Gas und Staub verwandeltenn. Man konnte ihn fast als "Schoenwetterfahrer" bezeichnen, Attribute wie "Weichei", "Warmduscher", "Schattenparker" oder "Zahnarztspritzenbettler" (alles tm) waren dennoch nicht angebracht. Jedenfalls wurde die im Regelfall eher sporadische Nutzung seines Kaftrades in diesem Spaetsommer noch durch die Geburt seines ersten "Nachwuchsschraubers" weiter vermindert. Und so begab es sich, dass er schlicht und einfach den faelligen TUEV-Termin im September 1999 verpennt hatte. Um nun nicht den Klauen der o.g. Neuregelungen anheim zu fallen, besorgte sich unser J. aus F. einen TUEV-Termin auf den "letzten Druecker", naemlich fuer den 29. November 1999 um 8.30 Uhr.
An jenem 29.11.99 meinte es der Wettergott gut mit J. aus F. Zwar war es am morgen ziemlich frisch (-2 Grad in der Stadt), aber die Sonne schien und die Strassen ware zum allergroesten Teil trocken. J. aus F. zog sich entsprechende Kleidung an ("Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Klamotten!") und holte mit klammen Fingern das Objekt seiner Begierde aus der Garage.
Zuendschluessel rumgedreht, ein bis drei Huster vom Anlasser und das war's erstmal. Aber J. aus F. verzagte nicht und holte Autoschluessel und Ueberbrueckungskabel, um seinem Mobbed doch noch die richtigen Klaenge zu entlocken. Und siehe da, nach einigen Pfopferern und kurzfristigen Ausfallerscheinungen aller vier Zylinder lief die Macchina dann endlich rund. Nun aber schnell losgefahren, denn der Termin nahte. Und tatsaechlich traf J. aus F. puenktlich an der TUEV-Pruefstelle in N. in der E.-Strasse ein. Schnell angemeldet und 54,40 Moppen geblecht, und dann warten. Als Service in dieser kalten Jahreszeit offeriert der TUEV seinen wartenden Kunden "Gluehwein" (natuerlich ohne Allohol, also eher Kinderpunsch) und Lebkuchen.
Ein ganz netter Service, an dem sich auch J. aus F. guetlich tat. Waehrend der Wartezeit fiel es unserem J. aus F. wie Schuppen aus den Haaren: Die Bereifung! Zwar hatte er fuer die Metzeler ME Z4 eine Unbedenklichkeitsbescheinigung sogar dabei, aber nicht vom Haendler "beglaubigt". "Naja", dachte er sich, "ersma dumm stellen!". Und schon nahte das Schicksal in Form eines bereits leicht angegrauten, aber doch freundlich dreinblickenden Pruef-Ing. Der erste Blick galt der Fahrgestellnummer, und dann natuerlich: die Reifen! Profil: o.k. Groesse: o.k. Hersteller:...? Hersteller:...? (inzwischen Blaettern des Ings. in den Fahrzeugpapieren und immer wieder Blicke auf die Reifenflanke)... Hersteller:...? "Was issn das fuer ein Anbauteil da?" "Das ist ein Scottoiler. Sie wissen schon, Tropfenschmierung fuer die Kette! Total subber!" "Na gut, mach mer mal die Lichter durch!" Uff! Lichter auch o.k., dann die Probefahrt. Der Ing. setzte seinen "Helm" (aus den 70ern ohne Visier) auf und startete die Maschine. Ganz zaghaft fuhr er los.
J. aus F. dachte bei sich: "Gut so, is ja doch teilweise Reifglaette!". Der Ing. fuhr ca. 50 m geradeaus, dann eine gaaanz laaangsaaame Wendung ("Jetzt haut's ihn gleich um!") und wieder zurueck in meine Richtung. Nun sollte noch die Bremsprobe folgen. Der Ing. gab Gas, schaltete in den zweiten Gang (!) und ploetzlich hoerte J. aus F. ein Geraeusch, das gar nicht gut in seinen Ohren klang. Es waren die kratzenden Toene von Kunststoff und Stahl auf rauhem Asphalt. Gleichzeitig sah unser J. aus F. sein Mobbed in 90 Grad Schraeglage dahinschlittern und einen blau gekleideten TUEV-Ingenieur daneben herkugeln. Nach 2 Schrecksekunden eilte J. aus F. zu seiner Maschine und drueckte erstmal den Killschalter, um den Motor zu stoppen. Der Ing. rappelte sich langsam auf und stammelte: "Den Schaden kriegen's ersetzt, den Schaden kriegen's ersetzt!". J. aus F. erkundigte sich nach dem Wohlbefinden des Ings. Dieser stammelte aber nur "Den Schaden kriegen's ersetzt..." usw. Inzwischen waren auch einige Kollegen des Ings. herbeigeeilt, und mit vereinten Kraeften wurde das Mobbed aufgerichtet. Der weiter stammelnde Ing. wurde mit starrem Blick von seinen Kollegen weggefuehrt. Das Mobbed wurde vom Chef der Pruefstelle inspiziert und alle beschaedigten Teile fotografiert. Als da waren: Kotfluegel vorne zerschrammt und gebrochen, Zierring am Scheinwerfer verschrammt, Gehäuse Tacho verschrammt, Spiegel verschrammt, Lenker verdreht, Ausgleichsgewicht zerschrammt, Blinker abgebrochen, Tank eingedrueckt, rechter Fussraster weg, Fussbremshebel reingebogen, Seitendeckel zerschrammt, Auspuff zerschrammt und hinterer Blinker verbogen und zerschrammt. Noch ein bisschen Papierkram hin und her, dann wurde J. aus F. gesagt, er koenne die Maschine reparieren lassen und solle die Rechnung an den TUEV schicken. J. aus F. tat letztendlich der Ing. leid (er sah hn nochmal kurz, und er schien nun nicht mehr zu stammeln, hatte aber noch den starren Blick), und so baute er keinen weiteren Rabbatz von wegen der TUEV solle das KRAD in die Werkstatt bringen und ueberhaupt eine halbe Stunde Wartzezeit trotz Termin etc.
Zurueck an seinem Mobbed hatte sich um selbiges inzwischen ein illustres Voelkchen von Schaulustigen versammelt, unter ihnen ein Fahrlehrer mit zwei Prueflingen, die just jetzt ihre KRAD-Pruefung haetten antreten sollen. Allerdings machte der Sturz des Pruef-Ings. dieser Sache einen Strich durch die Rechnung, lehnte der Fahrpruefer als Augenzeuge doch von diesem Moment an Mittagjegliche weitere KRAD-Pruefung zumindest bis zum Mittag dieses Tages ab. Der Fahrlehrer seinerseits nutzte die "Gunst" der Stunde, um seinen Zoeglingen im Anschauungsunterricht zu erklaeren, dass nicht nur das Profil, sondern das Temperaturverhalten der Gummimischung ein wesentlicher Unterschied zwischen Sommer- und Winterreifen sei.
In einer "Ortsbesichtigung" wurde der "Tathergang" nochmals rekonstruiert. An dieser Stelle war der Asphalt jedenfalls brottrocken, keine Spur von Reif oder Sand oder Laub oder aehnlichem. Der Ing. hatte einfach wohl ziemlich ordentlich ins Eisen gelangt, und der eiskalte, bockelharte Vorderreifen hat dies mit der Aufgabe seiner Fuehrungskraft quittiert und dann "boing-doengel-shraddel". J. aus F. wuenschte den Prueflingen trotzdem noch "viel Erfolg" und machte sich auf seinem verschraddelten Bock mit krummen Lenker und ohne Fussraste auf den Weg zur H***A-Werkstatt seines geringstem Misstrauens. Dem Haendler schien's nicht unangenehm gewesen zu sein, ist doch in den Wintermonaten eh etwas sauere Gurkenzeit. Und ferner war im Laden ein komischer, staendig labernder Zeitgenosse, der wohl sonst den Haendler immer vollschwallt und nun in J. aus F. ein dankbares "Opfer" fuer seine Geschichten gefunden hatte, waehrend der arg Gebeutelte (selbst hatte er noch nie einen Sturz!) auf seinen "Heimfahrdienst" wartete. Das Grinsen des Haendlers, der sich zum Schein in seine Papiere vergrub, sprach jedenfalls Baende. Und der Schaden? Laut Kostenvoranschlag 3.405,- DM, plus natuerlich den Aerger und die Lauferei. Hat sich voll krass rentiert. F*ck for TUEV, wie es ein bikenderComic-Zeitgenosse einstmals ausgedrueckt hat.
Ach ja, seine Plakette gueltig bis November 2001 hatte J. aus F. uebrigens noch bekommen. Immerhin...
Wahrheit? Fiktion? Glauben wir nur, was wir sehen? Oder sehenwir manchmal Dinge, die unglaublich sind? Der geneigte Lesermoege nun selbst entscheiden...
F., im November 1999